Mittwoch, 2. August, Plovdiv

In der Früh stand ein Besuch in der EVN-Zentrale in Plovdiv auf dem Plan. Beim Rundgang durchs Gebäude war es sehr leicht sich vorzustellen, wie es früher ausgesehen haben mag, besonders weil das Instandsetzen bestimmter Bereiche noch immer in Gang war. Die alte „stolovaya“ im Keller strahlt noch immer den fragwürdigen Charme einer kommunistischen Arbeiter/innenkantine aus. Obwohl außer der Verkleidung an den Wänden und einigen beweglichen Objekten davon nicht mehr viel übrig ist, lässt das Fehlen von natürlichem Licht und die Stimmung hier unten die Hitze von draußen verschwinden. Es hat etwas vom Oberdeck eines Londoner Busses in den 60er-Jahren, der an einem bewölkten, regnerischen, frühen Morgen durch Hackney fährt. (Die Busse selbst sind mittlerweile auch schon Geschichte). Das „Bitte nur oben“ des Schaffners bedeutete feuchte Luft, die von von Körpern erwärmten Mänteln und Jacken aufstieg. Die Pullover der dauerhaften Optimisten — „Es ist nur ein Schauer, später wird es aufhellen.“ — setzten den Geruch von nasser Wolle frei, der sich sofort mit dem scharfen Duft der Tinte der druckfrischen Sun oder Daily Mirror und den Rauchwolken der letzten Zigaretten vor der Stechuhr vermischt.

Die Manager, die wir treffen, sprechen über die Herausforderungen und Probleme, die es gibt, einen Teil des alten, verstaatlichten Stromversorgungssystems in ein modernes Unternehmen umzuwandeln. Sie sprechen über mobile Generatoren, die die Donau herunter verschifft werden, über die Erneuerung der Ausrüstungen von Umspannwerken und Masten, den Austausch von Stromzählern auf Konsumentenebene sowie Probleme mit Rechnungen. Die Modernisierung der Fahrzeugflotte ist auch ein Thema, die meisten Fahrzeuge sind seit vielen Jahren in Gebrauch, Erbstücke aus der COMECON-Ära und aus der UdSSR, der DDR etc. Morgen besuchen wir eine der EVN-Zentralwerkstätten und werden vieles mit eigenen Augen sehen.

Wir sind jetzt im Hauptverwaltungsgebäude dieser Gegend gegenüber einem Park. Hierher kommen auch die Konsument/innen, um ihre Rechnungen bar zu bezahlen und ihre Beschwerden loszuwerden. Wir unterhalten uns über die Energiekosten im Verhältnis zum Einkommen und an den Antworten kann ich ablesen, dass es da noch immer ein vielschichtiges Problem gibt. Wird ein öffentlicher Versorgungsbetrieb in ein kommerzielles Unternehmen umstrukturiert, vollzieht sich zuerst ein bedeutender Wandel in den ökonomischen Beziehungen, der oft nicht von einer entsprechenden psychologischen Veränderung seitens der Konsument/innen begleitet wird.

Wir sprechen hier von einem Elektrizitätspreis, der jetzt von kommerziellen und nicht politischen Überlegungen festgelegt wird, und den Kosten, die entstehen, wenn Rechnungen über die Bank bezahlt werden. Ich habe von bulgarischen Freund/innen erfahren, dass die Bankspesen sehr hoch sind, besonders für Leute mit kleinen Rechnungen und niedrigen Löhnen. Es kann schwierig sein, diese Formen der Anpassung in einem Land mit etablierter freier Marktwirtschaft auszuhandeln, aber hier in Bulgarien passiert alles gleichzeitig. Die Markwirtschaft wurde als ein großer Brocken eingeführt, was vielschichtige Unterbrechungen alles Bestehenden zur Folge hatte: Firmen gingen zu Grunde, Jobs verschwanden, Hilfsmaßnahmen der Regierung lösten sich in Nichts auf. Die schwächsten Gruppen bekommen den Druck als Erstes, am meisten und längsten zu spüren : Arbeitslose und geringfügig Beschäftigte, diejenigen mit kleinen festgelegten Pensionen und Minderheiten wie die Roma. Uns wird gesagt, dass sie nicht zahlen wollen und dass, wie überall auf der Welt, in den unterprivilegierten Vierteln, wo die Ärmsten der Armen leben, der Strom illegal angezapft wird.