Sonntag, 6. August, Primorsko

Das erste, was wir nach dem Frühstück tun, ist, zu erforschen was wir gestern Nacht durch die Büsche gesehen haben, nämlich einen großen Open-air-Swimmingpool. Oder eher, was einmal einer war, mit dazugehörigen Umkleidekabinen, Bar, Küche und einem Platz zum Sonnenbaden. Die Kücheneinrichtung wurde entfernt, die Sonnenschirme wurden entkleidet, der ganze Komplex ist überwachsen; die Treppen, die hinunter zur Anlage führen, sind fast unter dschungelartigen Büschen verschwunden. Hartnäckige junge Bäume haben ihren Weg durch Schwachstellen in den Pflastersteinen gefunden, Jahre von Herbstblättern türmen sich in den Ecken des Gebäudes und um den Pool selbst ähneln die Startblöcke Grabsteinen für ein in sich zusammengebrochenes Sozialsystem. Denkmäler von längst vergangenen Tagen, in denen Leute Bons für ihre Urlaubsunterkünfte erhielten, ihren Anspruch auf Ferienziel und Grad des Luxus bestimmt durch ihre Position in der Hierarchie der kommunistischen Partei oder von den kollektiven Unternehmen.

Die Straße, die wir jetzt in östlicher Richtung fahren, führt uns durch Harmanli, wo es eine dieser gewölbten Brücken gibt, die ich so gerne habe, diese hier aus dem 16. Jahrhundert. Es sind auch die Überreste einer Karawanserei und eines kaputten Kinos zu sehen.

Nach einer schnellen Kaffeepause fahren wir in Richtung Nordosten weiter nach Elhovo und ich versinke in Träumereien, während die Kilometer vorbeiziehen und L. filmt. Es stellt sich heraus, dass Elhovo eine ruhige Stadt mit ungefähr 20 000 Einwohner/innen ist. Wir rasten in einem Kaffeehaus neben dem Gemeindehotel, es ist geschlossen und sieht verlassen aus. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass auf den Wänden nur wenige Plakate aber viele Todesanzeigen hängen, wie sie normalerweise auf allen möglichen öffentlichen Plätzen zu finden sind, auf Brückenträgern, Fabrikswänden, Busstationen usw. Sie werden niemals entfernt, sie verblassen einfach, und wenn sie sich, wie zum Beispiel bei einer Haltestelle, ansammeln, erwecken sie den Anschein, als hätten sich spontan Familien aller Altersgruppen, von der Urgroßmutter bis zum drei Monate alten Baby, gebildet.