Die Roma-Bevölkerung war jedoch - einerseits auf Grund ihrer inhärenten sozialen Struktur und andererseits wegen ihrer religiösen Vielfalt - zu zersplittert, um eine auf nationaler Ebene agierende politische Bewegung zu gründen, die sich speziell mit Roma-Themen beschäftigt, obwohl es eine langsame Veränderung zu geben scheint und es auf NGO-Ebene eindeutig Erfolge gibt: aktive politische Organisationen einschließlich Freies Bulgarien, Partei für Soziale und Demokratische Veränderung (PSDC), Evroroma (die gemeinsam mit der Bewegung für Rechte und Freiheiten arbeitet) sowie die Roma-Bürger/innen-Union. Auch gibt es Roma-Kandidat/innen auf den Listen anderer Parteien.

1999 gab es eine Roma-Regierungsvereinbarung, die historisch war, weil sie in einem konsultativen Prozess mit über 70 Roma-Organisationen beschlossen worden war. Darin wurde vereinbart, dass „die Eliminierung der Diskriminierung den Roma gegenüber eine der Hauptprioritäten der bulgarischen Regierung werden soll“. 2004 jedoch konnte der Europarat nur feststellen dass sich die Durchführung „noch immer im Anfangsstadium befindet“. Während es besonders im Bildungsbereich lokale Erfolge gibt und die bulgarische Regierung (wie fast alle anderen Regierungen in Südosteuropa) das Jahr 2005 als Beginn einer „Dekade der Einbeziehung der Roma“ ausrief, gibt es andere politische Gruppierungen, die versuchen, den Cocktail von ökonomischer Unsicherheit und Rassismus auszunutzen. Deshalb ist es noch immer ein mühsamer Kampf.

Während ich das im August 2007 schreibe, sind die dichotomen Strömungen in der bulgarischen Gesellschaft an Hand von Medienberichten der letzten Wochen, die Roma erwähnen, klar ersichtlich. Eine Ausstellung im Nationalmuseum für Geschichte wurde eröffnet mit der Absicht, die „harmonische Koexistenz der Bulgar/innen mit den größten und für das Land traditionellen ethnischen Gemeinschaften, den Türk/innen, Roma, Armenier/innen und der jüdischen Bevölkerung“ zu fördern. Das Ziel ist Folgendes: „Die Organisator/innen der Ausstellungen wollen eine Reaktion auf und Solidarität mit dem Schicksal der einzelnen ethnischen Gruppen in Bulgarien hervorrufen.

Wir würden gerne im Stande sein, jenes Bewusstsein zu kultivieren, das anerkennt, dass alle kulturellen Werte Teil unserer nationalen Schatzkammer und des europäischen und Weltkulturerbes sind.“

Nur einige Wochen später gab es Berichte von Roma-Unruhen in Sofia. In vielen wurde mit Nachdruck auf die Kontrollmaßnahmen der Polizei hingewiesen, die Roma hätten „Tod den Bulgaren“ gerufen und „versucht die Medien zu vertreiben, während sie sich gleichzeitig vor laufender Kamera beschwerten, dass sie andauernd von der bulgarischen Bevölkerung dieser Gegend tyrannisiert wurden.“ Das schafft ein seltsames Bild von laufenden Roma vor laufenden Kameras… a running commentary? Die einzige Person, die versucht hatte, die Unruhen in einen größeren Kontext zu stellen, als Reaktion nämlich auf einen Angriff von Skinheads auf jugendliche Roma, war ein Repräsentant der Helsinki-Menschenrechtsgruppe, der nicht nur die Skinheads als unmittelbaren Grund nannte, sondern auch Parallelen zu den Unruhen von 2005 in Paris zog, Ausdruck von Frustration sozialer und ökonomischer Verlierer/innen in einem neoliberalen System. Demselben Bericht zufolge behaupten die Roma selbst, dass die Skinheads in eine politisch motivierte Provokation involviert waren, in Zusammenhang mit den kommenden Kommunalwahlen. Währenddessen ist in Österreich, in Vöcklabruck, eine Kontroverse über einen temporären Campingplatz für Roma und Sinti ausgebrochen…

Ich bin jetzt fast beim Kino angelangt, gehe die Treppen hinauf und bemerke, dass sich die weiße Farbe an der Decke des Eingangs, die die Kasse überdacht, ablöst und roter Anstrich zum Vorschein kommt. Einer der Flecken sieht aus wie Afrika. Ich filme, während ich durch das Kino gehe, stolpere ein wenig über den Schutt, der überall herumliegt, als ob er von der gletscherweißen Leinwand hier zurückgelassen worden war, als sie sich zurückzog. Ich trete durch eine kleine Hintertür hinaus auf eine Fläche mit Nadelbäumen, auf der einst die Außentür zum Vorführraum gewesen war. Jetzt ist dort nur mehr ein Loch und als ich darauf zugehe, gewinnt das scharfe Aroma des Urins die Oberhand über den harzigen Geruch der Bäume.