Aus Sicht der Osman/innen ging es in diesem Krieg darum, Russland daran zu hindern, einen Teil ihres Territoriums zu übernehmen oder zumindest ihren Einfluss auf diese Gebiete zu vergrößern. Als sich die Osmanische Armee aus Bulgarien zurückzog, emigrierten viele Muslim/innen aus Angst vor Repressalien (bis zu 750 000). Die, die blieben, wurden als „suspekt“ angesehen und die bulgarisch sprechenden Muslim/innen, die Pomak/innen, wurden wegen ihrer religiösen Angehörigkeit auch zu dieser Kategorie gezählt. Diese reale und wahrgenommene Nähe wurde durch die geografische Nähe ihrer Gemeinschaften sowie durch ihre überwiegend ländliche soziale Struktur, die ihnen gemeinsam war, verstärkt.

Um die spezielle Position zu verstehen, die den Pomak/innen im Prozess des Aufbaus der Nation zugeschrieben wurde, ist es wichtig, ein wenig über die organisatorische Form des osmanischen Staates, aus dem Bulgarien entstand, zu verstehen. Die osmanische Administration basiert auf dem Millet, einer relativ autonomen Form sozialer Organisation, die auf Religion gründet. So wurde eine hierarchische Struktur von religiösen Gemeinschaften unabhängig von Ethnizität mit Muslim/innen an der Spitze etabliert. Dazuzugehören hatte natürlich viele Vorteile. Diejenigen, die zum Islam konvertierten, wurden von bestimmten Pflichten entbunden, zum Beispiel von den lästigen Cizie-Steuern. Konvertit/innen und deren Familien wurden manchmal auch mit größeren Zahlungen aus der öffentlichen Kassa belohnt. Muslim/innen genossen auch höhere soziale Mobilität und waren die einzige Gruppe, die öffentliche Ämter bekleiden durfte. Andererseits wollte der Sultan Steuer zahlende Subjekte, also waren Konvertierungen nicht die Hautpriorität. Manche Historiker/innen meinen, unter Berufung auf Kataster-Aufzeichnungen, dass in der Balkan-Region nicht mehr als 300 Familien pro Jahr konvertierten.

Auf der anderen Seite wurden Nicht-Muslim/innen auch militärischer Anwerbung unterworfen: eine bestimmte Anzahl an Buben und jungen Männern wurde pro Jahr für die Janitscharen zwangsrekrutiert. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts waren sie der professionelle Kern der osmanischen Armee, Eliteeinheiten, die auch die Leibwächter des Sultans waren.

Diese Rekruten wurden zwangsweise zum Islam konvertiert und einigen Schätzungen zufolge waren es bis zum Jahr 1650 85 000. „Außerhalb der Saison“, wenn sie nicht mit militärischen Feldzügen beschäftigt waren, bildeten sie die Polizeistreitkräfte und die Feuerwehreinheiten, sehr wichtig für die osmanische Hauptstadt, die hauptsächlich aus Holz gebaut war. Man ist zwar allgemein der Meinung, dass die ersten Aushebungen wie auch die Konvertierungen gewaltsam durchgeführt worden waren, aber es gibt Aufzeichnungen, die zeigen, dass vom 17. Jahrhundert an einige christliche Familien ihre Söhne freiwillig rekrutieren ließen - eine der wenigen Möglichkeiten sozial aufzusteigen, außer die ganze Familie konvertierte zum Islam.

Die umstrittene Frage zu freiwilliger versus erzwungener Konversion sowie deren Rolle in der Konstruktion der bulgarischen Identität im Moment beiseite lassend, gibt es in der osmanischen Ära eine statistische Kontinuität in der sozialen Kategorisierung, die bis in die ersten 25 Jahre des neuen unabhängigen Bulgarien reicht.

Erst 1905 wurde bei offiziellen Zählungen eine spezielle Kategorie für ethnische Bulgar/innen muslimischen Glaubens eingeführt. In diesem Kontext sollte man im Kopf behalten, dass es Pomak/innen in Griechenland gibt (Pomakoi), in der mazedonischen Republik (Torbesi) und auch in der Türkei. Mit Erfindung dieser neuen statistischen Kategorie begannen bulgarische Politiker/innen eine Minderheitenpolitik zu entwickeln, die bis zu diesem Zeitpunkt, theoretisch zumindest, vom Berliner Vertrag geregelt wird. Man wollte Kategorien und Unterscheidungen schaffen, um die Parameter dieser mnemonischen Gemeinschaft zu kennzeichnen, die die Nation war (sein würde). Die kritische Frage hier ist (um Chattergee in Kurzform wiederzugeben): wessen Gemeinschaft wird von wem imaginiert? Für eine partielle Antwort auf diese Frage sollten zwei Machtstränge berücksichtigt werden. Erstens: „um die Geschichte und das Schicksal einer […] Gemeinschaft zu erschaffen, die wiederum verwendet werden kann, um die Nation zu repräsentieren, benötigt diese Nation eine brauchbare Vergangenheit.“ (Misztal)