4. Die dunklen (wörtlich gemeinten) Film-Noir-Bilder von Die Maske des Dimitrios. Das Gefühl von Fremdheit, von drohender Gefahr, eine konstante Spannungskomponente, die den Film durchdringt, schwappt über meine Vorstellungen und durchdringt einige der realen Länder, die er darstellen soll. Der Film ist eine komplexe Mischung aus Spionage, Attentaten, Drogenschmuggel und verbotener Sexualität. Der Held — wenn er das ist — wird von dem ehemalig österreichisch-ungarischen Flüchtling Peter Lorre in der Rolle eines neugierigen Schriftstellers gespielt. Obwohl der Film vorgibt, in der Türkei, in Griechenland, Bulgarien, Serbien, der Schweiz und Frankreich zu spielen und die Geschichte auf erkennbaren politischen und ökonomischen Vorgaben und Charakteren basiert, wurde er während des II. Weltkrieges gedreht und ist eine reine Hollywood-Studioproduktion. Der Roman, der die Grundlage des Filmes war, wurde 1939 veröffentlicht und von Eric Ambler geschrieben, der während desselben Krieges unter anderem Assistenzdirektor in der britischen Filmeinheit der Armee war. Ich muss das Buch lesen…

Die Tatsache, dass Bulgarien bis in die frühen 1990er hinter dem Eisernen Vorhang versteckt war, bedeutet, dass es immer nur als Teil des Balkans, der Nahost-Frage, der Balkankrise oder des Ostblocks in den Geschichtsstunden in der Schule (und später in den britischen Medien) erwähnt wurde. Es trug auch noch immer den merkwürdigen Nachgeschmack eines Landes, das in beiden Weltkriegen ein Mitglied der deutschen Allianz gewesen war.

Was britische Geschichtswissenschaftler/innen am meisten an diesem Land zu interessieren schien, war seine Rolle als Bauer eines Schachspieles in der internationalen Regulierung von Macht, als ein „passiver“ Teil im Spiel des Jonglierens um Einfluss. Das produzierte aber keinerlei Information über die involvierten Menschen. Man beschäftigte sich fast ausschließlich mit politischen Entscheidungen, um die territoriale Integrität des Osmanischen Reiches aufrechtzuerhalten, und als sich das als unmögliches Ziel herausstellte, mit dem Aktivieren einer alternativen Politik, die Griechenland als einen Pufferstaat verwendete, um Russlands Ambitionen in Richtung eines strategisch wünschenswerten mediterranen Hafens aufzuhalten. Als Eindämmungspolitik spiegelte sie sich fast genauso im Osten wieder, im so genannten „Great Game“, das in Afghanistan, an den nördlichen Grenzen Indiens gespielt wurde. Seit ich nach Wien gezogen bin, hat die hier tief verwurzelte, kulturelle Einstellung „der Balkan beginnt am Rennweg“, wie Metternich sagte, wenig dazu beigetragen, die Beharrlichkeit meines mentalen blinden Flecks in Bezug auf Bulgarien zu mildern. Diese Einstellung wird von Medienberichten über Attentate und versuchte Attentate von Spionen, Überläufern und Päpsten, die im Westen ausgeführt worden waren, unterstützt und somit wird der Eindruck einer fruchtbaren Spionagekultur (e.g. Georgi Markov, Das Regenschirmattentat 1970) unterstrichen. Nur L. und jene Freund/innen und Bekannte, die ihre Sommerferien in einem der Pioniersommercamps an der Schwarzmeerküste in Bulgarien verbrachten und „überlebten", um die Geschichte zu erzählen, konnten die sonnigere Seite des Landes zeigen.

5. Bulgarien tauchte 1990 unter dem eisernen Vorhang auf und soll 2007 Teil der EU werden. Mein Inventar enthält auch zwei Bilder: eine Aufnahme von zwei Männern, einer in Uniform, und einem Tanzbären sowie einer Fotografie von L., vor einigen Jahren aufgenommen, die eine Straße in Sofia zeigt, The Yellow Brick Road (Der Zauberer von Oz). Es ist eine dieser historischen Verbindungen zwischen dem Österreich-Ungarn und Bulgarien, die gelben Ziegel waren ein Geschenk Kaiser Franz Josephs I. Das Foto ist ein Teil von L.s aktuellen Projekten, in denen Assoziationen zu Der Zauberer von Oz, einer in ein Kindermärchen eingepackten politischen Allegorie, nachhallen. Für L. und für Frank Baum, den Autor des Buches, beide auf ihre Art und Weise, sind es Assoziationen mit Kapitalismus und Geldpolitik im Speziellen.