Kaum erreichen wir die andere Straßenseite, sehen wir einen Rom, der an einer Ecke Teppiche verkauft. Er winkt uns herüber und fragt, woher wir kommen. „Aus Österreich.“ „Das ist ein Schengenland, nicht wahr?“, antwortet er, mehr eine Feststellung als eine Frage…

Wir trinken Kaffee in einem Open-Air-Restaurant mit Burberry-Muster-Tischtüchern aus reinem Acryl und machen uns danach mit B. auf den Weg ins Stadtzentrum. Wir sind auf der Suche nach einem Internetcafé, das dort sein soll. Es stellt sich als ein Zimmer im hinteren Teil eines Mini-Einkaufszentrums heraus, abgedunkelt, mit zwei Reihen von Computern, kein echtes Café, sondern ein ernstzunehmendes Internet-Spielcenter. Es ist nur ein Spieler im Raum, in einer Ecke. Der virtuelle „Fallout“ von Gewehrfeuer und einschlagenden Explosionen zieht in unsere Richtung. Wir fragen, ob wir zwei Computer benützen können, und bekommen vom Besitzer ein Grunzen zur Antwort. Er sieht aus wie ein stereotyper Anarchist - groß, dünn, bärtig, mit grimmigem, verärgertem Blick und runden Schultern, als hätte er Stunden damit verbracht seinen Monitor fest zu umarmen. Er ist völlig von der Komplexität seines Spieles gefangen, nicht willens aufzuschauen, geschweige denn sich an einer sozialen Interaktion zu beteiligen, zu der mehr als binäre Kommunikation nötig wäre. Wir arbeiten ungefähr fünfundvierzig Minuten. Als wir dann zahlen wollen, bekommen wir wieder nur ein Grunzen zur Antwort, dann: „20 Cent.“ Es ist die billigste und schnellste Internetverbindung, die wir je in Bulgarien verwendet haben.

Danach machen wir uns zu einem der zwei Roma-Bezirke in Velingrad auf. Dieser wird von einem Wandbild, das Repräsentant/innen der bulgarischen Gesellschaft zeigt, unter ihnen ein an Orpheus erinnernder Musiker, bewacht.

Der Bezirk heißt Asphaltova Basa, obwohl kein Asphalt zu sehen ist, die Straßen sind ungepflastert, die Oberfläche teilweise außer Rand und Band. Wir werden sehr herzlich von der Familie Z. willkommen geheißen und verbringen einige Stunden in ihrem kleinen, zweistöckigen Haus.

M. ist Zeichenlehrer, hat aber auch in Spanien Früchte geerntet. Er hat eine Broschüre für Roma über Schwangerschaft und Geburtenkontrolle illustriert. Es gäbe nicht genug Geld für Möbel im oberen Stock, weil er als Lehrer nur ungefähr € 300 pro Monat verdiene, ein Busfahrer hingegen rund € 700, erzählt er. Seine Frau H. musste nach Italien, um Arbeit zu bekommen, sie betreute dort alte Menschen. Die Tochter war Assistenzlehrerin gewesen und für die Roma-Kinder in den Klassen verantwortlich. Jetzt ist sie verheiratet und hat ein kleines Kind.