Am Abend lernen wir in dem Restaurant in der Nähe des Hauptplatzes, in dem wir immer essen, eine Familie kennen. Die Mutter ist aus Bulgarien, aus der Gegend, der Vater Deutscher. Sie sind auf Urlaub hier und sprechen über Probleme, die ihre Verwandten, besonders die Älteren, haben, von Schul- und Universitätsausbildung und über Emigration. Und über die EVN. Sie erwähnen die steigenden Stromkosten und Gerichtsfälle, die Roma betreffen, wo das ganze Gebiet von Stolipinovo in Plovdiv (das hauptsächlich von Roma bewohnt wird) wegen nicht bezahlter Rechnungen von der Stromversorgung abgeschnitten worden war. Ich habe im Internet die Umrisse dieses Problems recherchiert. Der strittige Punkt hat eine eigene Geschichte, die mit der ökonomischen und sozialen Position der Roma zusammenhängt und auch damit, wie man „von Seiten der Autorität“ damit umgegangen ist. 2002 zum Beispiel, bevor sich die EVN am Netzwerk beteiligte, versuchte die Regierung eine Summe von weit mehr als € 2 Millionen Zahlungsrückstände von den in diesem Bezirk lebenden Menschen einzufordern, indem sie sie von der Stromversorgung abschnitt. Das Problem betrifft auch die Wasserversorgung.

Klarerweise ist kollektive „Bestrafung“ keine akzeptable Methode. Die Angelegenheit wird aber einerseits durch augenscheinlich rassistische Anschuldigungen verkompliziert und das absichtliche Verfälschen der Geschichte bietet den Nationalist/innen eine Gelegenheit, einen Machthebel in die Hand zu bekommen, den sie, als die Versorgung noch ein staatliches bulgarisches Unternehmen war, nicht hatten. Andererseits kann man mit jenen sympathisieren, die in diesem Bezirk leben, ihre Rechnungen zahlen und dennoch von der Stromversorgung abgeschnitten sind. Eine der Komplikationen bezieht sich auf die Frage, wer einen Zählerkasten bekommen kann. Das Gesetzt erlaubt nur Verträge mit Grundstückseigentümer/innen. Dadurch, dass viele Roma auf Grundstücken leben, die ihnen legal nicht gehören oder zumindest nicht als solche registriert sind, macht die gegenwärtige Gesetzgebung es theoretisch unmöglich einen Anschluss zu beantragen, selbst wenn man es wollte und in der Position wäre, dafür zu zahlen, obwohl die Arbeitslosenrate unter den Roma ungefähr vier Mal so hoch ist wie der nationale Durchschnitt.